In seiner Sitzung am 19.09.2024 hat der Magistrat der Schöfferstadt Gernsheim nachfolgende Stellungnahme zum Trassenverlauf "Rhein-Main-Link" beschlossen:
"Stellungnahme der Schöfferstadt Gernsheim zum geplanten Trassenverlauf im Rahmen der geplanten Höchstspannungsleitung ‚Rhein-Main-Link‘
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Schöfferstadt Gernsheim erkennt die Notwendigkeit grundsätzlich an, durch Windenergie in Offshore-Anlagen erzeugten Strom auch in den Rhein-Main-Neckar-Raum zu transferieren. Die Stadt begrüßt weiterhin den Planungsgrundsatz, den erzeugten Strom als Gleichstrom mittels Erdkabel über die großen Distanzen weiterzuleiten.
In Ihrem Schreiben vom 26.07.2024 führen Sie aus: ‚Bei Planfeststellungsverfahren, die bis zum Ablauf des 30. Juni 2025 begonnen werden, kann der Vorhabenträger nach § 35 Absatz 6 NABEG bei der Antragstellung verlangen, das Verfahren nach §§ 19 bis 21 NABEG in der bis zum 29. Dezember 2023 geltenden Fassung zu führen. Hiervon hat der Vorhabenträger mit seinem Antrag vom 27.06.2024 Gebrauch gemacht.‘
Die Unterlagen zur Planfeststellung werden angabegemäß erst im 2. Halbjahr 2026 eingereicht. Die Praxis, einen Antrag auf Planfeststellung zu stellen, aber die entscheidenden Planungsunterlagen erst zwei Jahre später einzureichen, ist unüblich und unseres Erachtens rechtlich in Frage zu stellen. Die Verzögerung widerspricht den typischen Anforderungen an ein zügiges und transparentes Verfahren. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Übergangsregelung in § 35 Absatz 6 NABEG diese Verzögerung deckt oder ob sie nur auf die Verfahrensvorschriften und nicht auf den zeitlichen Ablauf des Verfahrens abzielt.
Bezugnehmend auf die Antragskonferenz am 12.09.2024 in Bürstadt stellt die Schöfferstadt Gernsheim fest, dass offenkundig nur für wenige Abschnitte der geplanten Trasse innerhalb des vorgegebenen Präferenzraums eine alternative Streckenführung untersucht wurde. Wir sehen es als die zwingende Aufgabe des Vorhabenträgers an, nachzuweisen, dass die gewählte Trasse im Vergleich zu Alternativtrassen unter Abwägung aller Einflussparameter (Eingriff in Natur und Landschaft, Nähe zur Wohnbebauung, Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzung, Nähe zu bestehenden Infrastruktureinrichtungen, wie Förderbrunnen oder Leitungsnetze anderer Versorger, Verträglichkeit mit Zielen der Raumordnung) in der Summe die geringsten negativen Auswirkungen hat.
Unbefriedigend ist die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Antrags auf Planfeststellung der Standort einer Konverteranlage im ‚Suchraum Ried‘ noch nicht definiert ist. Eine eventuelle Konverterstration in der Nachbargemeinde Biebesheim lehnen wir ab, solange die Netzanbindung dieser Konverteranlage nicht geklärt ist.
Die Schöfferstadt Gernsheim fordert, dass das Planungsverfahren nicht an den Konverterstationen endet. Die Netzeinspeisung und die Verteilung im Wechselstromnetz muss im Verfahren mit betrachtet werden, weil diese Fragen nicht unabhängig im Raum stehen, sondern wesentlich von den Standorten der Konverterstationen abhängen.
Da die Einspeisung und Verteilung des Wechselstroms durch Überlandleitungen erfolgt, stellt dies einen massiven Eingriff in die Landschaft dar. Der Vorhabenträger hat nachzuweisen, dass dieser Aspekt in der Planung berücksichtigt wurde und dass Trassenverläufe gewählt werden, die den Eingriff in Natur und Landschaft und in den Wohnwert angrenzender Siedlungsbereiche minimieren.
Eine Hochspannungsfreileitung zwischen dem Baugebiet ‚Am Berleweg‘ und dem als Natura 2000-Gebiet geschützten Gernsheimer Wald lehnen wir aus folgenden Gründen ab:
- Das Areal ist Lebensraum vieler geschützter Arten, wie Feldlerche, Haubenlerche, Kiebitz, Rebhuhn, Kreuzkröte, Mauer- und Zauneidechse.
- Hochspannungsfreileitungen verursachen Elektrosmog und verschlechtern das Lebensumfeld der Anwohner.
- Die Wertminderung bestehender Wohn-, Industrie- und Gewerbeimmobilien im Einzugsbereich neuer Stromtrassen – unter oder über der Erde – muss in der Planung berücksichtigt und abgewogen werden.
- Hochspannungsfreileitungen in einer bisher weitgehend freien und offenen Landschaft beeinträchtigen das Landschafts- und Stadtbild erheblich.
Wir fordern, dass die im Landesentwicklungsplan Hessen definierte Abstandsflächen für neu auszuweisende Wohngebiete vom 400 Metern zu bestehenden Stromtrassen auch im Umkehrschluss gelten muss: Neu zu errichtende Stromtrassen müssen mindestens 400 Meter von bestehenden Wohngebieten entfernt sein. Weiterhin dürfen zu errichtende Stromtrassen eine regionalplanerisch in Aussicht stehende Siedlungserweiterung nicht ausschließen.
Des Weiteren fordern wir, die Möglichkeiten zu prüfen, die zu errichtende Gleichstromtrasse flächensparend an bestehenden Verkehrstrassen entlangzuführen. Der Bau der erdgebundenden Gleichstromtrasse in einer Breite von ca. 25 Metern stellt einen massiven Eingriff in den Boden dar. Auch wenn bauausführende Unternehmen sich bemühen, die ursprüngliche Bodenschichtung wiederherzustellen, bleibt die Ertragskraft des Bodens auf Jahrzehnte gemindert. Eine derartige Zerschneidung und Entwertung produktiver landwirtschaftlicher Flächen ist zu vermeiden.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Burger, Bürgermeister"